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Einleitung
Die Wendung der Philosophie Übers.

Gan Shaoping

1.1 Man mag nach dem Grund und der Ursache der existierenden Dinge nachfragen.Es gibt meiner Meinung nach zwei solche Nachfragesweisen:Zuerst mag man normaleweise die Dinge so behandeln,daß man von der Oberfläche in die Tiefe,oder in den Kern eindringt,d.h.,zunächst untersucht man die Sinnliche Seite der Dinge,dann deren rationale Erkenntnis.In Phaidon(99e)sagt Piaton,daß sich Sokrates nicht mit den direkten sinnlichen Erkenntnissen zufriedengibt,sondern er versucht,den Logos der Dinge zu erforschen,damit er deren Wahrheit erfassen kann.Das zeigt sich deutlich ein Erkenntnisprozeß:von dem sinnlich wahrgenohmenen Ding vertikal in das rational erfaßte Ding einzudringen.Und das rational erfaßte Ding stellt den Grund(oder das Wesen)des sinnlich wahrgenohmenen Dinges dar.Gerade in diese Gedankenrichtung hat sich seit Piaton die in der abendländischen Philosophiegeschichte herrschende traditionelle Metaphysik großenteils entwickelt.Aristoteles’ Lehre von der ersten Ursache kann als die Fortsetzung und Weiterentwicklung des Piatons solchen Gedankengangs betrachtet werden.Fichte hat auch in indirekter Form Sokrates’und Piatons Nachfragesweise erbt,indem er das“absolute Ich”für den Grund aller Dinge hält.Er gibt ebenso nicht mit dem sinnlich wahrgenohmenen direkten Ding zufrieden,sondern er möchte das“ursprüngliche Ding selber”untersuchen(Vgl.John Sallis:Delimitations,Indiana University Press,1995,P.205),nämlich das“absolute Ich”,das laut Fichte nur durch“intellektuelle Anschauung”zu erfassen ist.Das durch“intellektuelle Anschauung”erfaßte Ding zählt auch zu den rational erfaßten Dingen im weiteren Sinne.Es unterscheidet sich daher von dem sinnlich wahrgenohmenen Ding.Was Hegels Lehre der absoluten Idee betrifft,so zeigt es sich noch deutlicher,daß diese Lehre die Entwicklung von platonischer Denkweise darstellt.

Diese Nachfragesweise nach dem Grund und der Ursach setzt die Formel Subjekt kontra Objekt voraus.Diese Nachfragesweise zeichnet sich dadurch aus,von der Erscheinung in das Wesen einzudringen,ebenso von dem Individuellen in das Allgemeine,von der Differenz in die Gleichartigkeit,von der Veränderlichkeit in die Ewigkeit,von dem Konkreten in das Abstrakte(Hegels“konkretes Abstraktes”und“konkretes Allgemeines”eingeschlossen).Diese Untersuchung zielt auf das gestaltlose ewige abstrakte Wesen,oder auf die Allgemeinheit und Gleichartigkeit,nämlich auf die konstante Anwesenheit(constant pressence).

Die Philosophie von Nietzsche,Heidegger und Gadamer,die die abendländische gegenwärtige Gedankenströmung des Humanismus repräsentiert,gibt sich nicht mit der obigen Nachfragesweise zufrieden,nämlich nicht mit der Suche nach der ontologischen Welt der alten Metaphysik und nach dem abstrakten ewigen Wesen,sondern sie will zu der konkreten unbeständigen gegenwärtigen Welt zurückkehren.Eine solche Philosophie hält jedoch nicht an dem gegenwärtigen Daseienden,sie wollte über es hinausgehen und nach dessen Ursprung nachfragen.Dieser Ursprung läßt sich jedoch nicht wie bei der traditionellen Philosophie als das abstrakte ewige Wesen oder Begriffe betrachten,sondern er ist das Seiende,das genauso wie das Daseiende real existiert,aber sich noch hinter dem Daseienden versteckt und noch nicht aufgetreten ist.Mit anderen Worten,geht die Philosophie in einem solchen Falle über das anwesende reale Ding hinaus,um das abwesende(oder noch nicht aufgetretene)reale Ding zu erreichen.Dieses“Über-Hinausgehen”ist querlaufend,indem es vom realen(anwesenden)Ding in das reale(abwesende)Ding eindringt,während das“Über-Hinausgehen”der traditionellen Philosophie vertikallaufend ist,indem es vom realen konkreten Ding ins abstrakte ewige Wesen oder in die Begriffe eindringt.Ein typisches Beispiel für das querlaufende“Über-Hinausgehen”kann man in Heideggers Eindringen von dem erschienenen Ding in das verborgene Ding ersehen.Heidegger hat zwar schließlich über das“Über-Hinausgehen”vom“Sein”in das“Nichts”gesprochen(nämlich ein“Über-Hinausgehen”der existierenden Dinge als Ganzes),gilt aber das Nichts bei ihm auf keinen Fall als das abstrakte begriffliche Wesen oder die ontologische Welt der alten Metaphysik,sondern mit dem Nichts ist in Wirklichkeit das höchste Ideal gemeint.

Vor Heidegger läßt sich Husserls Phänomenologie als ein Übergang von dem alten vertikallaufenden“Uber-Hinausgehen”in das neue querlaufende“Über-Hinausgehen”verstehen.Die Phänomenologie und die alte Metaphysik haben darin etwas gemeinsam,die“Anwesenheit”(presence)in den Vordergrund zu stellen,aber Husserl unterscheidet sich von der alten Metaphysik mit seinet Ablehnung der abstrakten unabhängigen ontologischen Welt oder der In-Sich-Sein-Welt.Husserl betont zwar einerseits die“Sache selbst”und schließt alle andere Sachen aus,die als Medium diese Sache beschreiben,andererseits hält er aber auch nicht immer auf sein dieses“Prinzip der Prinzipien”,indem er an vielen Stellen von der Einheit der Abschattungen der Dinge und davon spricht,daß sich die Dinge immer auf einen hinter ihnen verborgenen großen Horizont beziehen.Das heißt also:Das sinnlich wahrgenohmene anwesende Ding kommt aus dem Horizont,den viele andere abwesende Dinge zusammensetzen.Der amerikanische Philosoph John Sallis nennt dies“horizontale Struktur”(horizontal structure,vgl.Delimitations,P.77).Diese“horizontale Struktur”läßt sich auch in die“querlaufende Struktur”übersetzen,um darauf zu deuten,daß das erschienene anwesende Ding aus dem von vielen abwesenden verborgenen Dingen zusammengesetzten Horizont stammt.Dem anwesenden Ding liegen die abwesenden Dinge zugrunde,die,wie oben erwähnt,nicht das von der alten Metaphysik hervorgehobene abstrakte Wesen oder die unabhängige In-Sich-Sein-Welt,sondern reale Dinge sind,die den Hintergrund des gegenwärtigen anwesenden Dings darstellen.Aber eine solche Interpretation oder Erklärung ist schon über den Bereich Husserlscher Phänomenologie hinausgegangen,weil seine Phänomenologie nur solche Gedankenelemente als Andeutung enthält.Man kann auch sagen,daß in diesem Sinne die Phänomenologie sich selber durchbrochen hat.Heideggers Theorien von“verborgenen”und“unverborgen”,von“zuhanden”und“vorhanden”und von der Einheit von“Dasein”und“Welt”sind nicht nur das Zeichen für seinen Bruch mit Husserl,sondern auch die Entwicklung Husserlscher Phänomenologie.

1.2 Die verborgenen abwesenden Dinge,die dem anwesenden Ding zugrundeliegen,sind nicht endlich,sondern unendlich.Konkret gesagt,befindet sich jedes Ding in wechselseitigen Beziehungen mit allen Dingen des Kosmos,ganz gleich ob diese Beziehungen eng oder nicht eng,direkt oder indirekt,sichtbar oder unsichtbar,wichtig oder unwichtig sind.Das erinnert uns an die Theorie von allseitigen Beziehungen(in der marxistischen Philosophie).Aber diese Theorie ist noch zu einfach und allgemein,und sie ist noch nicht so tiefgreifend,daß man dadurch über das anwesende Ding hinausgeht,um in die verborgenen abwesenden Dingen einzudringen.Diese Theorie bedarf also einer Erweiterung und Entwicklung.Nach einer neuen Theorie der allseitigen Beziehungen kann man sagen,daß jedes Ding in eine Unendlichkeit gerät.Das heißt also:Jedes Ding ist ohne Grund und ohne Wurzel.Während wir die alte metaphysische Theorie“vertikallaufendes Über-Hinausgehen”,der die“Ideen”,die“In-Sich-Sein-Welt”,die“absolute Idee”und so weiter zugrundeliegen,die“Mit-Grunde-Theorie”nennen,dann können wir auch die Theorie“guerlaufendes Uber-Hinausgehen”die“Ohne-Grunde-Theorie”nennen.Diese“Ohne-Grunde-Theorie”bedeutet überhaupt nicht,daß es keinen Grunde gibt.Sondern es gibt einen Grunde ohne Grunde.Die Wendung von der“Mit-Grunde-Theorie”zur“Ohne-Grunde-Theorie”ist auch eines der Zeichen für die Wendung von der alten abendländischen Metaphysik zur modernen und gegenwärtigen Philosophie.

1.3 In einer vertikallaufenden Richtung sucht die alte Metaphysik die abstrakte ewige ontologische Welt(oder die In-Sich-Sein-Welt),die als der Grunde der anwesenden Dinge gilt.Die Methode dazu ist Denken.Durch rein sinnliche Erkenntnis oder sinnliche Anschauung sind allein die Mannigfaltigkeit und Besonderheit der Dinge zu erreichen,nicht aber deren Identität und Allgemeinheit,nämlich der Begriff des ewigen Wesens oder die Idee.Nur durch die Funktion des Denkens kann man aus der Mannigfaltigkeit die Identität,sogar die höchste Identität ausziehen,damit man den Grund der Dinge erfaßt.Daher kann man ersehen:Die alte Metaphysik betont und sogar verehrt die Vernunft und das Denken deshalb,weil sie ihre höchste Aufgabe darin sieht,die Identität(Gleichartigkeit)zu erkennen.

Nach der Wendung in die querlaufende Richtung sucht die gegenwärtige Philosophie jetzt die hinter den anwesenden Dingen verborgenen Dinge,die zwar abwesend,aber doch real sind.Die Philosophie versucht,diese anwesenden erschienenen Dinge mit den abwesenden verborgenen Dingen zu verbinden.Die höchste Aufgabe der Philosophie besteht nicht darin,die Identität oder Gleichartigkeit zu erreichen,sondern in das Ganze,in dem sich alle Dinge auf der Welt miteinander vermischen(Vgl.meine Abhandlung“Gleichartig-Sein oder Miteinander-Übergehen”,in:Journal der Peking Universität,Nr.4,1995).

Wie ist dieses Ziel zu erreichen?Nicht durch das Denken,sondern durch die Einbildungskraft.

Unter der Einbildungskraft versteht die alte Metaphysik zwei Dinge,nämlich das“Original”und dessen“Kopie”.Das Original ist der Gegenstand oder das Erkenntnisobjekt des Einbildenden,und das Erkenntnisergebnis des Einbildenden ist das Bild oder die Kopie des Originals.Kant versteht jedoch die Einbildungskraft ganz anders:“Einbildungskraft ist das Vermögen,einen Gegenstand auch ohne dessen Gegenwart in der Anschauung vorzustellen”(Kritik der reinen Vernunft,B151).Das heißt also:Die Einbildungskraft bezieht sich nicht auf die Kopie oder das Bild des originalen Dinges,sondern sie ist das Vermögen,unterschiedliche Dinge,konkret gesagt,das anwesende Ding und das abwesende Ding zu synthetisieren,um daraus ein Ganzes zu gewinnen.Z.B.,alles,was gestern passierte,ist schon vorbei.Wir können aber die Dinge von Gestern und die Dinge von Heute so zu einem Ganzen synthetisieren,daß wir die abwesenden Dinge aus Gestern“wieder erscheinen”lassen.Mit dem Unterschied von dem“Erscheinen”des heutigen anwesenden Dinges ist dieses“Wieder-Erscheinen”des abwesenden Dinges ein potentielles Erscheinen,ein Erscheinen in der Einbildung.Aber nur durch dieses“Wieder-Erscheinen”können sich das abwesende Ding und das anwesende Ding miteinander zu einem“gleichzeitigen”Ganzen vermischen,das den Raum unserer Einbildungskraft bildet und alle unterschiedliche Dinge,ganz gleich ob sie anwesend oder abwesend,erschienen oder verborgen,von Gestern oder von Heute sind,miteinander verbinden läßt.Um das Ganze,in dem alle Dinge miteinander verbunden sind,zu erfassen,braucht man Einbildungskraft.Sonst können das anwesende Ding und das abwesende,das erschienene Ding und das verborgene,das Ding von Heute und das von Gestern für immer getrannt bleiben.Wie kann man dann von dem anwesenden Ding in dessen Grund,nämlich in das verborgene abwesende Ding eindringen?Natürlich ist dieser Grund,wie oben erwähnt,ein Grund ohne Grund.

Wir leben in dem Ganzen,in dem alle Dinge miteinander verbunden sind.Daß wir durch die Einbildungskraft dieses Ganze erfassen,ist ganz nötig für unser Leben.Wenn wir das Leben nur auf den Bereich des vernünftigen Denkens beschränken und glauben,daß sich das Leben und die Philosophie nur auf die Brücke des Denkens zwischen Subjekt und Objekt und auf die Erkenntnisse der abstrakten Begriffe konzentrieren,dann ist unsere solche Vorstellung überlebt.Diese Vorstellung kann nur das Leben eintönig und die Philosophie leblos machen.Durch wiederholte Abstraktion des Denkens kann man schließlich nur die farblose Identität gewinnen,die von der lebendigen Mannigfaltigkeit weit entfernt ist.Wir dürfen zwar nicht auf das Denken verzichten,aber wir sollen über es hinausgehen,wir halten nicht an dem Schattenreich der abstrakten Begriffe und werden nicht von der ewigen anwesenden Idee beherrscht und gefesselt,sondern wir stellen die Einbildungskraft in den Vordergrund und gehen ständig über das gegenwärtige anwesende Ding hinaus in die noch abwesenden Dinge,in die Welt mit unendlicher Öffentlichkeit und Erneuerung.Mit einem Wort,sollen wir mittels der Einbildungskraft alle Grenze überschreiten und zwischen den anwesenden erschienenen Dingen und den abwesenden verborgenen Dingen umherreisen(Vgl.Sallis:Delimitations,P.27).

2. Die querlaufende Wendung der Philosophie hat großen Einfluß nicht nur auf die Kunstphilosophie und Geschichtsphilosophie,sondern auch auf das zwischenmenschliche und interdisziplinäre Verhältnis.

2.1 Die traditionelle Kunstanschauung zeichnet sich dadurch aus,daß ein Kunstwerk das genaue Bild des gezeichneten Gegenstandes sein muß.Diese Imitationsanschauung beruht philosophisch auf der alten Metaphysik,die das anwesende Ding für den Grund hält.Denn nach dieser Imitationsanschauung befinden sich das Kunstwerk,das das genaue Bild des Gegenstandes ist,und der Gegenstand,der das Original des Kunstwerks darstellt,in einem Verhältnis von Subjekt und Objekt.In diesem Verhältnis steht das Objekt,nämlich der natürliche anwesende Gegenstand im Vordergrund.Selbst die Kunstanschauung Hegels,die erklärt,gegen die Imitationsanschauung zu sein,gehört auch nichts anderes als zu der alten Metaphysik,die das Anwesende für den Grund hält.Laut Hegel ist das Schöne der sinnliche Ausdruck der Idee,jedes Kunstwerk,solange es der Idee des Kunstwerkes entspricht,ist echtes Kunstwerk.Seine solche Kunstanschauung betrachtet nicht das natürliche anwesende Ding,sondern das ewige anwesende Ding,nämlich die“absolute Idee”als Grund.Nun die“querlaufende Wendung”der Philosophie zeigt uns:Die Kunst zielt weder auf die Nachahmung des natürlichen anwesenden Gegenstandes,noch auf die Manifestation(oder die Nachahmung)des geistigen anwesenden Dinges(nämlich der“absoluten Idee”),sondern auf das,was außer allen anwesenden Dingen ist,oder auf den Einbildungsraum zwischen dem abwesenden verborgenen Ding und dem anwesenden erschienenen.Ein typisches Beispiel dazu läßt sich in Heideggers Kunstanschauung ersehen:Der Grundstein eines alten Tempels demonstriert die dahinter versteckte abwesende Gewalt jahrtausendes Sturmes,die durch unsere Einbildungskraft erfaßt ist.Die“Bauer-Schuhe”von Van Gogh drücken die dahinter versteckten abwesenden Härten des Lebens,die Mühsal der Arbeit und ähnliche unendliche Bilder aus,wie z.B.das Verlangen nach Broten und die Angst vor dem Tode u.s.w.Alle solche Bilder stellen den Raum unserer Einbildung dar.Durch das Kunstwerk wird nicht nur das verborgene Unendliche erschienen,sondern auch das Wahre(Vgl.meine Abhandlung:Zu den gefühllosen Steinen-Verbergen und Erscheinen in der Kunst,in:Studien der Literatur und Kunst,Nr.3,1996;Und:Über das Anwesende Hinausgehen-Auch zur Einbildungskraft,in:Jianghai Studien-Journal,Nr.3,1996).Nach einer solchen Kunstanschauung heißt es also:Je größeren Einbildungsraum ein Kunstwerk uns bieten kann,desto wertvoller ist es;ganz im Gegenteil zu der alten metaphysischen Kunstanschauung,die glaubt,daß ein echtes Kunstwerk deshalb echt ist,weil es dem Gegenstand als Original ähnelt oder der Idee des Kunstwerkes entspricht.

2.2 Nach der alten metaphysischen Formel Subjekt-Objekt steht das Altertum(oder die Vergangenheit)zu der Gegenwart im Gegensatz,d.h.also:diese beiden bleiben voneinander unabhängig.Die Geschichte zu studieren bedeutet daher,das Altertum und die Vergangenheit als einen unabhängigen Gegenstand zu betrachten,und das höchste Ziel dieser Studien besteht darin,das Original zu suchen und den Status quo ante wiederherzustellen.Selbstverständlich ist ein solches Ziel prinzipiell zu erreichen,wenn die Aufgabe der Historiker in der einfachen Text-oder Inschriftuntersuchung und in der Unterscheidung zwischen dem Wahren und dem Falschen besteht.Aber allein dies ist das größte Interesse der Geschichtsforschung?Selbst die Untersuchung der ursprünglichen Intention und der psychologischen Elemente einer historischen Persönlichkeit kann meiner Meinung nach auch nicht für das höchste Ziel und das größte Interesse der Geschichtsforschung gehalten werden.Gadamer,Begründer der gegenwärtigen philosophischen Hermeneutik,meint in seiner“Wahrheit und Methode”:Der echte Gegenstand des historischen Verstehens ist kein Ereignis,sondern dessen“Bedeutung”.Die Bedeutung des Ereignisses steht immer im engen Zusammenhang mit dem damaligen wirtschaftlichen politischen sozialen und kulturellen Hintergrund,der nämlich das sogenannte dahinter verborgene Ding ist.Mit dem Verlaufen der Zeit und der Änderung des Hintergrundes haben sich dementsprechend der Zustand und die Bedeutung des Ereignisses auch verändert.Noch wichtiger:Der Mensch selber ist ein geschichtliches Sein und Konzentrat.Als Mensch kann daher der Historiker nicht über seine Lebenswelt hinausgehen und von einem Standpunkt der sogenannten“reinen Vergangenheit”die Vergangenheit betrachten.Das“Original”selbst oder die“Vergangenheit”selbst,die man unabhängig von dem inneren Zusammenhang zwischen dem geschichtlichen Original und den Menschen von Heute erworben hat,kann nur abstrakt sein,genau wie das“Ding an sich”bei Kant.Außerdem können sich der Inhalt und die Bedeutung eines historischen Ereignisses(Nicht alles,was einmal passierte,kann historisches Ereignis genannt werden)meistens nur später oder sogar heute entfaltet werden,d.h.,am Anfang sind sie doch noch latent.Mit einem Wort,begreift in sich jeden Moment das Ganze des Kosmos und der menschlichen Geschichte nicht nur seine Vergangenheit,sondern auch seine Zukunft.Nur nach einer solchen Geschichtsanschauung ist es zu finden,daß Gestern oder die Vergangenheit und Heute oder die Zukunft ineinander übergehend sind.Jetzt mögen alle von dem Dialog zwischen dem Menschen von Heute und dem von Altertum sprechen,ein solcher Dialog kann deshalb stattfinden,weil er theoretisch auf der Verbundenheit von Vergangenheit und Gegenwart beruht.Früher mag man den zeitlichen Verlauf von der Vergangenheit zur Gegenwart einen vertikallaufenden Zusammenhang nennen,doch kann man jetzt auch diesen einen querlaufenden Zusammenhang nennen,indem das gegenwärtige Anwesende in sich das vergangene Abwesende verbirgt und indem das vergangene Anwesende in sich das noch abwesende Zukünftige begreift.Selbstverständlich ist ein solcher“großer Horizont”der Verbundenheit von Vergangenheit und Gegenwart nur durch die Einbildungskraft zu erreichen.Der Historiker soll daher mit seiner Einbildungskraft versuchen,vom Standpunkt des großen Horizontes der Verbundenheit von Vergangenheit und Gegenwart her das sich ständig verändernde geschichtliche Ganze zu erfassen.Das ist ganz anders als die traditionelle Philosophie,die sich nur darauf konzentriert,mit Denken einige wenige abstrakte allgemeine Begriffe der Geschichte zusammenzufassen.

3. Die Wendung der Philosophie zeichnet sich auch dadurch aus,daß sich die traditionelle anthropozentrische Philosophie,nach der der Mensch im Zentrum des Kosmos steht und die Natur zur freien Verfügung hat,in eine Philosophie verwandelt,die das zwischenmenschliche Verstehen hervorhebt,bzw.in die dementsprechende Sprachphilosophie.

Aristoteles sagt:Der Mensch ist ein Tier mit Logos.In der abendländischen traditionellen Philosophie wird das Logos für die Vernunft und das Denken gehalten.Dementsprechend heißt dann Aristoteles’Definition des Menschen auch:Der Mensch ist ein Tier mit Vernunft.In Wirklichkeit sind mit dem Wort“Logos”zwar das Denken,der Begriff und die Regel gemeint,vor allem aber die Sprache.Mit dem Logos ist der Mensch fähig,über das gegenwärtige Anwesende hinauszugehen,während das Tier es nicht vermag.Das gegenseitige Verstehen der Tiere ist auf den Hinweis des gegenwärtigen Anwesenden angewiesen.Das gegenseitige Verstehen der Menschen und deren gemeinsames Leben sind auf die Sprache bzw.die Sprachfähigkeit angewiesen.Der Hauptcharakter der Sprache besteht nun darin,das verborgene Abwesende ausdrücken zu können.Das bedeutet überhaupt nicht,daß das Denken nicht erforderlich ist,sondern,noch wichtiger,daß das Denken nur in der Sprache stattfinden kann.Durch das Lernen von Sprache und Gespräch sind wir erwachsen und dazu fähig,Begriffe zu bilden,damit wir die Welt erkennen(Gadamer).Die Sprache und das Gespräch finden immer in einer realen konkreten Situation(dazu auch das Motiv der Gesprächspartner)statt,die das hinter dem direkten Gespräch verborgene Ding ist.Aber die Sprache und das Gespräch können immer zu diesem verborgenen Hintergrund zurückkehren und nur in der Verborgenheit ihre Bedeutungen entfalten.Wenn wir dagegen die reale konkrete Situation des Gespräches beiseite legen und nur einige wenige abstrakte und ewige Begriffe der Identität und Allgemeinheit berücksichtigen,wie können wir dann das gegenseitige Verstehen der Menschen realisieren?Außerdem gibt es ohne Sprache auch kein Denken und keinen Begriff,die Begriffbildung hängt von der Sprache ab.Die Wendung der Philosophie fordert uns auf,die Grenze der starren abstrakten Begriffe zu überschreiten und zum lebendigen Gespräch und Dialog zu kommen.Dazu braucht man auch die Einbildungskraft,durch die man die verborgene Bedeutung des direkten Gespräches verstehen kann.Nur mit der Einbildungskraft kann ein Gesprächspartner die Welt des anderen betreten und dadurch die zwischenmenschliche“Verbundenheit”zustande bringen.

4. Das gegenseitige Verstehen ist nicht nur das zwischen den Menschen,sondern auch das zwischen den Regionen,zwischen den Gesellschaftsschichten,zwischen den Nationen,zwischen den Menschen mit verschiedenen Sprachen und zwischen den Unionen.Dies bezieht sich auf die Probleme in der Gesellschaft,in der Politik,in der Wirtschaft,in der Ethik und Moral,in der Kultur und Ideologie,sogar in den Übersetzungen unterschiedlicher Sprachen u.s.w.Von dem Standpunkt einer einzelnen Diziplin her läßt sich kein Problem interdisziplinären gegenseitigen Verstehens lösen.Jedes interdisziplinäre gegenseitige Verstehen setzt den interdisziplinären gegenseitigen Dialog voraus.Die Probleme unterschiedlicher Fachbereiche lassen sich gegenseitig erscheinen und verbergen.Z.B.,beruht das Problem der Politik meistens auf die hinter ihm verborgenen Probleme der Wirtschaft,der Gesellschaft,der Ethik und der Kultur;das Problem der Kultur und Ideologie beruht auf die der Politik,der Wirtschaft u.s.w.Dies weist darauf hin,daß die Forschung jeder Disziplin die der anderen Disziplinen berücksichtigen muß.Das ist der Grund,warum heute die interdisziplinären Forschungen oder die Grenzwissenschaften im Vordergrund stehen.

* * *

Allgemein gesagt,hat uns die neue Philosophie eine Gedankenrichtung gewiesen,d.h.:unsere Einbildungskraft zu entwickeln;über die Gegenwart,über das Ich,über unseren eigenen Bereich und über die Grenze des Anwesenden hinauszugehen;alle noch nicht aufgetretene Dinge im Blick zu behalten und eine neue unendlich große Welt zu eröffnen.

Dementsprechend habe ich vorläufig einige wichtige Kategorien entworfen,die in dieser neuen Philosophie näher erörtert werden müssen.

Zu der abendländischen traditionellen Philosophie,besonders zu der neuzeitlichen Philosophie gehören hauptsächlich folgende Kategorien:Denken und Sein,Subjekt und Objekt,Wesen und Erscheinung,sinnliche und rationale Erkenntnis,Besonderes und Allgemeines,Differenz und Identität,Werden und Nicht-Werden,Konkretes und Abstraktes u.s.w.Seit der“querlaufenden”Wendung der Philosophie sind dagegen folgende Kategorien zu erforschen:Unverborgen und Verborgen,Anwesenheit und Abwesenheil,Gleichartigkeit und Verbundenheit,Vergangenheit und Gegenwart,Denken und Einbildungskraft,Denken und Dichten,Verstehen und Mißverstehen,Uberschreiten und Beschränken,Mittelpunkt und Rand,Sein und Nichts,Sprechen und Sprachlos-Sein u.s.w.

Welche Inhalte und Kategorien überhaupt diese neue philosophische Richtung in sich begreifen soll,bedarf einer langfristigen tiefgreifenden sorgfältigen und fruchtbaren Diskussion,die ich mit obigen hingeworfenen Bemerkungen anregen möchte. V4g7iVKjnFCy+g0D14u1ePl8ThRt/Ybgn45RlH9FNy2TE6qtCsGuhycs4e0YqUrB

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